Ausstellung




                 Viele verschiedene Personen auf dem Oktoberfest mit einem Riesenrad und der Pauls Kirche im Hintergrund.
© Fritz Neuwirth/SZ Photo
Auf dem Oktoberfest 1980

Die Münchner Theresienwiese – bekannt für das größte Volksfest der Welt – war 1980 Tatort eines rechtsextremistisch motivierten Bombenanschlags. Für 234 Menschen endete der Wiesn-Abend des 26. Septembers mit brutaler Gewalt. 

Das Oktoberfest-Attentat ist der schwerste Terrorakt in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland. Aus dem kollektiven Gedächtnis wurde er allerdings weitgehend verdrängt. Bis heute sind die Hintergründe der Tat nicht restlos geklärt, mögliche Mittäter*innen nicht überführt.

 

Tatnacht



                 Verwüsteter Haupteingang des Oktoberfests mit zwei Polizeibeamten und einem Polizeiauto. Links im Bild heben drei Männer einen Sarg in ein Fahrzeug.
© pa / Frank Leonhardt
Blick auf den Ort der Explosion, 26.09.1980.

Freitag, 26. September 1980, 22:20 Uhr: Tausende Wiesn-Besucher*innen waren auf dem Heimweg, als am Haupteingang des Festgeländes mit greller Stichflamme eine Bombe explodierte. Ihre Druckwelle riss Menschen im Umkreis von rund 20 Metern zu Boden. Mit verheerender Wirkung wurden Metallsplitter in alle Richtungen geschleudert. Umgehend versorgten zahlreiche Ersthelfer*innen, Polizist*innen und Rettungskräfte die Verletzten vor Ort. 13 Menschen starben, 221 wurden verletzt, 68 davon schwer.

Schnell konnte die Polizei den rechtsextremen Studenten Gundolf Köhler als Täter identifizieren. Er hatte einen selbstgebauten Sprengkörper in einem Mülleimer deponiert und war bei der Explosion ums Leben gekommen.

Nach Untersuchung und Reinigung des Tatorts ging der Oktoberfestbetrieb bereits am nächsten Morgen weiter.

Überlebende



                 Mehrere Blumen, Blumenkräne und Karten vor dem Haupteingang des Oktoberfests.
© dpa / Klaus Heirler
Nach dem Anschlag hinterlassene Zeichen der Anteilnahme, September/Oktober 1980.

Die Anteilnahme für die Überlebenden des Anschlags war in der Bevölkerung und den Medien zunächst groß. Sie spiegelte sich in umfangreichen Sach- und Geldspenden wider. Bis Ende des Jahres 1981 spendeten Privatpersonen und Firmen aus der gesamten Bundesrepublik rund zwei Millionen DM. Hinzu kamen 200.000 DM von der Stadt München. Weitere 500.000 DM stellte die Bayerische Staatsregierung bereit.

Von der Politik zugesagte „unbürokratische Hilfe“ erlangten manche schnell, andere erst nach intensiven Bemühungen. Sie beschränkte sich allerdings auf Sachleistungen zur Linderung der Verletzungen. Die lebenslang andauernde Leidensgeschichte der Überlebenden blieb über Jahrzehnte unberücksichtigt.

Viele Überlebende berichteten von Schwierigkeiten im Umgang mit den Behörden. Gesundheitliche Beschwerden wurden heruntergespielt, Spätfolgen nicht anerkannt und Anträge für notwendige Gesundheitsleistungen zurückgewiesen. In dem Empfinden, zu Bittsteller*innen herabgesetzt worden zu sein, verzichten viele von ihnen bis heute auf Versorgungsleistungen.

Erst 2020 eröffnete die bundesbehördliche Einordnung des Attentats als rechtsextremistisch den Überlebenden die Aussicht auf eine angemessene Entschädigung.

Ermittlungen



                 Eine Straße mit sechs Männern im Vordergrund, die herumliegende Gegenstände aufheben und sichern. Im Hintergrunde sind zwei Polizeibusse und weitere Polizeibeamte.
© pa / Frank Leonhardt
Spurensicherung in der Tatnacht, 26./27.09.1980. Die Ermittlungen führte die Sonderermittlungskommission „Soko Theresienwiese“ des Bayerischen Landeskriminalamts. Wegen des Verdachts auf einen terroristischen Hintergrund der Tat übernahm am 27.09.1980 Kurt Rebmann, Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof, die Leitung.



                 Sitzende und stehende Männer in Anzügen an Tischen mit Mikrophonen und Zetteln.
© pa / Frank Leonhardt
Bayerns Innenminister Gerold Tandler (CSU) auf der Pressekonferenz am 28.09.1980 mit einem Fahndungsblatt zu Gundolf Köhler.


Bereits am Morgen nach der Tat wusste die Polizei vom rechtsextremen Profil des Täters Gundolf Köhler. Seine Aktivitäten in der Neonaziszene waren den Sicherheitsbehörden bekannt. Die weiteren Ermittlungen förderten aber keine Mitwissenden oder Tatbeteiligten zu Tage. Der Abschlussbericht von 1982 stufte den Anschlag als persönliche Verzweiflungstat ein und rückte die politische Gesinnung des Täters in den Hintergrund.

Überlebende, ihr Rechtsbeistand, Journalist*innen und politische Gruppen zweifelten das Ermittlungsergebnis an. Lange protestierten sie erfolglos dagegen, fanden aber zunehmend Unterstützung durch die Öffentlichkeit. Als 2014 weitere Hinweise auf mögliche Mittäter*innen auftauchten, nahmen die Behörden die Ermittlungen umfassend wieder auf. Zwar wurden mit deren Abschluss 2020 keine weiteren Tatbeteiligten überführt, der Anschlag aber von der Generalbundesanwaltschaft zweifelsfrei als rechtsextremistisch eingestuft.

 

 
 
 
 



                 Eine Karikatur mit einem Mann im schwarzen Anzug, der sich auf einem Sarg abstützt und mit einem Gewehr schießt. Hinter ihm tippt ihn ein Mann im weißen Anzug an.
© Horst Haitzinger, München
Karikatur von Horst Haitzinger, DER SPIEGEL vom 06.10.1980. Der Bayerischen Staatsregierung unter Franz Josef Strauß (CSU) wurde vorgeworfen, die Tat für den Wahlkampf zu instrumentalisieren, sowie die Gefahr von rechts verharmlost und unterschätzt zu haben. So gab der Staatsschutzchef aus dem Bayerischen Innenministerium voreilig Täterinformationen an die Presse, um das eigene Vorgehen gegen Rechtsextremismus positiv darzustellen. Mögliche Mittäter*innen waren gewarnt, Indizien verloren ihre Beweiskraft.



                 Großaufnahme von Franz-Josef Strauss im schwarzen Anzug, der betrübt auf den Boden schaut. An ihm gehen zwei Männer im Anzug vorbei und neben ihm sitzt ein Mann im Anzug.
© pa /Istvan Bajzat
In der Tatnacht informierten sich Bundesjustizminister Hans-Jochen Vogel (SPD), Ministerpräsident Franz Josef Strauß (CSU), der Münchner Polizeipräsident Manfred Schreiber und Oberbürgermeister Erich Kiesl (CSU) (v. li. n. re.) vor Ort in einem Polizeieinsatzwagen.


Der Bombenanschlag ereignete sich eine Woche vor der Bundestagswahl 1980 und wurde unmittelbar zum Wahlkampfthema. Der Versuch der Bayerischen Staatsregierung, von den eigenen Versäumnissen abzulenken, beeinflusste die damaligen Ermittlungen.

Zentrale Fragen blieben ungeklärt: Woher kam der militärische Sprengstoff? Waren weitere Personen am Bau der Bombe beteiligt oder mit Gundolf Köhler am Tatort? Fragen, über die die heutige Kriminaltechnik hätte Auskunft geben können. Doch 15 Jahre nach Abschluss der ersten Ermittlungen wurden hunderte von Beweismitteln, die möglicherweise DNA-Spuren und andere Hinweise enthielten, von den Behörden vernichtet.

Aus heutiger Sicht wurde damals versäumt, das Ausmaß rechter Gewalt als Bedrohung für die Demokratie anzuerkennen. Mit dem Festhalten an dem entpolitisierten Einzeltäter wurde rechtsextremen Netzwerken nicht entschlossen genug entgegengetreten.

 

Erinnerung



                 Leere Theresienwiese mit den aufgebauten Zelten des Oktoberfests und der Bavaria Statue im Hintergrund und großem Geschlossen-Schild im Vordergrund.
© FS-VL-GEB-1980-317-36 / StadtAM / Heinz Gebhardt
Gedenken am 30.09.1980. Der Wiesn-Betrieb wurde für einen Tag unterbrochen und in der Stadt eine Schweigeminute ausgerufen.

Wie soll eine demokratische Gesellschaft auf einen Anschlag wie das Oktoberfest-Attentat reagieren? 1980 ruhte der Festbetrieb der Wiesn einmalig für einen Tag der Trauer.

Lange fand die Stadt München keinen angemessenen Umgang mit dem Bombenanschlag. Politisch engagierte Gruppen wie die DGB-Jugend München hingegen gedachten alljährlich am 26. September der Opfer und forderten ein konsequentes Handeln gegen Rechtsextremismus.

Zum ersten Jahrestag 1981 enthüllte die Stadt eine Bronzestele in Erinnerung an die Opfer des Attentats. Diese enthielt jedoch weder eine politische Einordnung der Tat, noch die Namen der Todesopfer. Sie wurden erst auf Drängen der Angehörigen Jahre später eingraviert.

Trotz mehrfacher Umgestaltungen gelang es nicht, am Haupteingang der Wiesn auch an die Überlebenden zu erinnern und über die Tat aufzuklären. Diesen Versäumnissen stellt sich die Stadt seit 2015 und entwickelte im Dialog mit Zeitzeug*innen die 2020 eröffnete Dokumentation.